Im Fokus
KI einführen: Was zu beachten ist

> Dieser Text wurde veröffentlicht im „BCR Receivables Technology Report 2025“
Über die wegweisende Rolle von KI – auch im Bereich Factoring – besteht kein Zweifel. Sie führt im Allgemeinen zu Effizienzsteigerungen durch Automatisierung, beschleunigt die interne Innovationsentwicklung und unterstützt bei der Entscheidungsfindung.1 Dabei sind die prozessualen Veränderungen mitunter so tiefgreifend, dass man zwangsläufig nach deren Auswirkung auf Struktur, Strategie und sogar Kultur eines Unternehmens fragen muss: Was sollte bei der Implementierung von KI berücksichtigt werden, um gravierende Fehler in der weiteren Entwicklung zu vermeiden? Wir wollen hier einige Must-Dos, No-Gos und Nice-to-Haves erörtern.
Struktur und Strategie im Wandel
Die Nutzung von KI wirkt sich unmittelbar auf die Struktur eines Unternehmens aus: Prozesse und Rollen verändern sich, werden aufgebrochen oder neu definiert. Solche Änderungen dürfen nicht sich selbst überlassen werden, sondern sollten bestenfalls durch eine parallele Anpassung der eigenen Strategie begleitet werden. Es geht hier also um das Entwickeln und (nahtlose) Einfügen einer KI-Strategie in die generelle Unternehmensstrategie. Aber da solche Veränderungen in der Regel mit viel Arbeit verbunden sind – u.a. Anpassung von Verantwortlichkeiten, Rollen und Funktionen – wird die Struktur gerne unangetastet gelassen. Schlimmstenfalls fördert man so die Bildung von Silos, in denen isoliert voneinander KI-Projekte vorangetrieben werden.2 Zumindest entsteht Unruhe unter den Mitarbeiter*innen, weil nicht klar ist, wer für welche Aufgaben zuständig ist.3
KI-Implementierung: die ersten Schritte
Was also ist zu tun, um KI erfolgreich in einem Unternehmen zu implementieren? Wir sollten uns an dieser Stelle bewusst sein, dass so etwas nicht über Nacht passieren, sondern Monate oder Jahre dauern kann. Umso wichtiger ist es daher, Schritt für Schritt vorzugehen – beginnend bei einer grundlegenden Klärung: Welche KI-Anwendungsfälle harmonieren mit den Zielen des Unternehmens? Mit welchem Mehrwert kann man rechnen? In der Regel erreicht man durch KI eines der folgenden Ziele: Umsatzsteigerung, Kosteneinsparungen, Erweiterung des Angebots-Portfolios. Je präziser die Antworten auf Fragen zu Chancen (aber auch Risiken) ausfallen, umso eher ist eine Einschätzung des Nutzens und der Kosten möglich bzw. deren Priorisierung.4 Idealerweise wird im Rahmen dieser Phase ein Lastenheft entwickelt, in dem alle Anforderungen und Erwartungen an das KI-Projekt präzisiert sind.5
Nicht vergessen: Alle mitnehmen
Wichtig bei diesem initialen Schritt ist es, alle Beteiligten (Führungskräfte, Entwickler*innen, IT-Mitarbeiter*innen, das Projektmanagement etc.) mit ins Boot zu holen, um deren Akzeptanz, Verständnis und nicht zuletzt das Vertrauen in die KI-Implementierung zu erhöhen. Es hilft hierbei, Meinungsbildner*innen zu involvieren, die dem Ganzen gegenüber positiv eingestellt sind, da solche Change-Prozesse erfahrungsgemäß auf größere Widerstände treffen. Weiterhin wichtig ist das Sicherstellen einer kontinuierlichen Evaluation, um so regelmäßig Feedback von den Betroffenen zu erhalten.4
Von Datencheck bis Freigabe
Als nächstes sollten Sie sich mit der notwendigen Datenqualität und -verfügbarkeit beschäftigen. Sind Daten ausreichend verfügbar, sauber, strukturiert und zugänglich? Wie können Datenschutz und -sicherheit gewährleistet werden? Sobald dies geklärt ist, geht es zur grundlegenden Frage: Kaufen oder selbst entwickeln? Hier ist neben dem Kostenfaktor sicher auch die Abhängigkeit von anderen Anbietern zu berücksichtigen. Man kann grundsätzlich sagen, dass Eigenentwicklungen dann empfehlenswert sind, wenn die Anwendung das Kerngeschäft des Unternehmens betrifft. Egal, ob Make or buy: Anschließend steht die Integration in bestehende Systeme an, inklusive Testlauf und finaler Freigabe. Nach dieser Pilotphase fügt sich die Skalierungsphase an, bei der die Anwendung sukzessive und in größerem Maße ausgerollt wird.5
Kultur der Offenheit
Wir hatten bereits erwähnt, dass KI-bedingte Veränderungen im Unternehmen auch strukturell und strategisch abgebildet werden müssen, sonst drohen Ineffizienzen. An dieser Stelle lassen sich gut A. Chandler und H. Mintzberg zitieren, die eine Wechselwirkung von Strategie und Struktur postulieren.6 Betrachten wir jedoch einen weiteren Faktor, der unmittelbar von der Struktur beeinflusst wird – die Kultur eines Unternehmens. Genauer gesagt, geht es um die Förderung einer offenen Kommunikations- und Innovationskultur im gesamten Unternehmen.7 Gerade das Thema Innovationskultur wird häufig unterschätzt, dabei ist es enorm wichtig, den menschlichen Faktor ausreichend zu berücksichtigen. Eine gelebte Innovationskultur ermöglicht es, sich mit neuen Technologien zu beschäftigen, neue Ideen zu entwickeln und über den Tellerrand schauen (Outside -the-box-Denken). Das kann mindestens zu einem kreativen Umgang mit KI führen, darüber hinaus auch zu neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Es ist also eminent wichtig, ein flexibles Umfeld zu schaffen, das zum Experimentieren und zur Risikobereitschaft ermutigt. Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle externe wie interne Schulungen, die den Mitarbeitenden einen effektiven Einsatz von KI näherbringen. Außerdem ist zu überlegen, inwiefern der Aufbau von cross-funktionalen Teams sinnvoll wäre, um eine Kultur des gegenseitigen Austauschs zu fördern.8 Letztlich geht es bei alldem, Vertrauen zu schaffen in etwas Neues.
Von KI-Readiness und KI-Journey
Auf Ihrer KI-Journey, also dem Weg Ihres Unternehmens zur KI, werden Sie mehrere Phasen durchlaufen, die alle mit speziellen Herausforderungen verbunden sind (Informationsphase, Vorbereitungsphase, Entwicklungsphase und Integrationsphase). Wichtig ist, dass Sie zu Beginn Ihre KI-Readiness realistisch einschätzen und auf dieser Grundlage Ihre individuelle KI-Reise starten. Diese ist als ein fortlaufender Prozess zu verstehen, der nie wirklich endet.9 Im Übrigen ist die KI-Readiness mittlerweile auch als Attraktivitätsfaktor bei der Talentsuche zu sehen: Digital Natives interessieren sich eher für Unternehmen, die bereits gewappnet sind für die Zukunft als solche, die noch hadern.10 Sie sehen: Die Auswirkungen einer KI-Implementierung sind mitunter weitreichend.
Bleiben Sie kritisch, aber neugierig
Es gibt auch Stimmen, die KI als überzogenen Hype bezeichnen. Das gilt für einzelne Ausprägungen und hängt damit zusammen, dass KI manche an sie herangetragene Erwartungen oft nicht oder nicht ohne weitere Entwicklungen erfüllen kann. Für ein besseres Verständnis lässt sich hierbei das Hype-Cycle-Modell für technische Innovationen heranziehen. Demnach schießen die Erwartungen bei Bekanntwerden einer technologischen Innovation (Beispiel: ChatGPT Ende 2022) ins Unermessliche. Von diesem „Gipfel der Erwartungen“ stürzt die Innovation anschließend ins „Tal der Enttäuschungen“. Wer hier trotzdem am Ball bleibt und Erfahrungen sammelt, statt abzuspringen, findet zum „Pfad der Erleuchtung“ und von dort aus geht es zum „Plateau der Produktivität“. KI-Modelle abseits von GenAI haben bereits das „Plateau der Produktivität“ erklommen oder sind auf dem besten Weg dorthin.11 Für Sie bedeutet das: Bleiben Sie kritisch gegenüber manchen Erwartungshaltungen (intern oder extern). Seien Sie aber auch weiterhin neugierig und probieren Sie Dinge aus – schließlich geht es bei KI um das Entdecken neuer Möglichkeiten und Grenzen.
Fazit: Wir sind erst am Anfang
KI ist zum Buzzword geworden. Was dahintersteckt, ist jedoch viel mehr als nur ein Trend. Es ist eine industrielle Revolution, die das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben maßgeblich verändern wird – und wir stehen dabei erst am Anfang. KI ist dazu in der Lage, Unternehmen einen enormen Schub an Effizienz und Qualität zu verleihen, wenn man sich darauf einlässt und nicht im Hadern verbleibt.10 Starten Sie Ihre eigene KI-Journey im Bereich Factoring.
1 Adopting AI-Driven Change Management: Key Strategies for Organizational Growth
2 neuland.ai: KI-Strategie – häufige Stolpersteine vermeiden
3 L´Ortye, Hendriks: Struktur folgt Strategie, oder?
4 Intel: KI-Implementierung: In kleinen Schritten zum Ziel
5 Mittelstand-Digital: Schritte zur Integration von KI in KMU
6 Alfred D. Chandler: Strategy and structure, 1962
7 Handelsblatt live: Eva-Christiane Diemar – KI? Nie ohne Strategie!
8 Plamen R. PhD: The Chicken or The Egg: Does Structure Follows Strategy or Strategy Follows Structure?
9 Mittelstand-Digital: Wie KI-ready ist Ihr Unternehmen & Fahrplan für Ihre KI-Journey
10 inpact media, Mirko Heinemann: Wann ist KI sinnvoll – und wann nicht?
11 Gartner Hype Cycle: Wie man Technologie-Hype interpretiert


