Tech-Giganten wie Alibaba, Amazon, Facebook und Google verlagern ihr Kerngeschäft zunehmend in andere Bereiche der gesamten Wertschöpfungskette. Zwar stellen Finanz-Services derzeit nur rund 11 %1 der gesamten Umsätze ausgewählter Big Tech-Unternehmen dar. Aber es liegt auf der Hand, dass die großen Player ihre Aktivitäten sukzessive ausweiten werden – als perfekte Ergänzung zu den eigenen kommerziellen Angeboten.
Masse plus Netzwerk
Die Big Techs verfügen über gewichtige Vorteile im Vergleich zu klassischen Banken und anderen Finanzinstituten: unzählige Kundendaten auf der ganzen Welt, die sich mithilfe neuester Technologien wie Machine Learning und AI umfassend auswerten lassen. Aus den gewonnenen Informationen können ohne Weiteres detaillierte Kunden-Screenings erstellt werden. So geben Ant Financial und Mercado Libre an, dass sie im Rahmen ihrer Bonitätsprüfungen pro Darlehensantrag über 1.000 Datenserien heranziehen. Aber nicht nur die reine Datenmenge spielt dabei eine Rolle. Tech-Riesen profitieren auch von Netzwerkeffekten, indem sie auf unterschiedlichste Informationen ihrer User zurückgreifen können.
Welcher Fokus?
Welche Daten den Tech-Riesen zur Verfügung stehen, hängt in erster Linie davon ab, wo sie geschäftlich aktiv sind. E-Commerce-Plattformen können anhand von vergangenen Geldtransaktionen ihrer User relativ genaue Aussagen zum jeweiligen (Rück-)Zahlungsverhalten von Krediten machen. Big Techs mit Fokus auf sozialen Netzwerken oder der Internetsuche sind dazu in der Lage, ihre Daten zur Einschätzung von individuellen Präferenzen einzusetzen – diese dient etwa als potenzielle Basis für entsprechende Versicherungsangebote. Das Problem von Banken ist: Ihnen stehen solche Netzwerkdaten gar nicht erst zur Verfügung, da allein aus rechtlichen Gründen eine Trennung von Geldgeschäft und Handel vorzunehmen ist.
Geringe Kosten
Im klassischen Kreditgeschäft müssen Banken für die Risikobeurteilung ihrer Kunden verschiedene Informationen heranziehen, auswerten und ständig überwachen. Das ist insgesamt betrachtet äußerst zeitintensiv und verursacht Kosten, die üblicherweise in Form von Gebühren und Zinsen weitergegeben werden. Big Techs haben bei bestehenden Fixkosten nahezu Null Zusatzkosten je weiteren User und dessen verfügbaren Datenpool. Insofern können sie mit vergleichsweise geringen Durchschnittskosten kalkulieren und sind mittel- bis langfristig in einer besseren Position als die Konkurrenz aus der Bankenbranche.
Unter dem Radar
Es gibt noch ein weiteres Plus zugunsten der Big Techs: Sie sind dazu in der Lage, weltweit Kundengruppen zu erschließen, die bislang keinen Zugang zum Bankensystem hatten. Diese Kundengruppen bewegen sich bislang unterhalb des Bankenradars, da sie geografisch zu weit entfernt sind und/oder die Mindestanforderungen für einen Kreditantrag nicht erfüllen – beispielsweise aufgrund fehlender geprüfter Abschlüsse. Da jedoch in Schwellen- und Entwicklungsländern die Verbreitung von Handys und Smartphones relativ hoch ist, können Big Techs hier mit ihrem Angebot an bargeldlosem Bezahlen oder anderen Finanz-Services punkten. Sprich: Sie bedienen (kleinere) Unternehmen sowie Haushalte, die sonst keine Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen könnten. Beste Beispiele für solche Entwicklungen sind Zahlungsmethoden wie PayPal und M-Pesa oder neuerdings die Online-Währung libra.
(Un-)kontrollierbare Marktmacht
Gigantische Reichweite, besondere Netzwerkeffekte, geringe Durchschnittskosten – mit dieser Kombination scheinen Big Techs dazu in der Lage zu sein, den gesamten Finanzsektor radikal zu verändern. Kritiker warnen allerdings davor, dass wir geradewegs auf die Entstehung digitaler Monopolisten zusteuern, die über eine nicht kontrollierbare Marktmacht verfügen würden. Außerdem entstünden dadurch zusätzliche Risiken und Kosten für die gesamte Gesellschaft. Hier kommen verschiedene Forderungen nach einer Zerschlagung oder strikten Regulierung ins Spiel. Ob und wie diesen nachgekommen wird, steht noch offen.
Spannende Herausforderungen
Unserer Meinung nach ist ein Schwarz-Weiß-Szenario – also eine komplette Änderung der Märkte und Systeme – nicht sehr wahrscheinlich. Vielmehr wird es wohl zu einer Aufteilung des Finanzsektors in einen Bereich geben, der von Big Techs dominiert wird sowie einen Bereich, in dem weiterhin Banken und Finanzinstitute aktiv sein werden – wenn auch in einem geringeren Umfang als heute. Das gilt sicher auch für den Factoring-Markt: Service-Anbieter jenseits der Big Techs wird es auch in Zukunft geben. Allerdings steht diesen in den kommenden Jahren eine spannende Entwicklung mit zahlreichen Herausforderungen bevor. Wir meinen: Wer es schafft, eine schlagkräftige Verarbeitung von Massendaten mit maximaler Anpassbarkeit sowie Sicherheit zu kombinieren, wird sicher nicht zu den Verlierern im Factoring-Sektor zählen. efcom steht dabei seinen Kunden als innovativer Partner und praxisnaher Know-how-Provider zur Seite. Weitere Informationen erhalten Interessenten gerne unter ef3sales@efcom.de
1 S&P Capital IQ; BIS
Quellen: BIS Annual Report 2019; “Zeigt Big Tech die wettbewerblichen Folterinstrumente auf!“ von Thomas Straubhaar